Jan Windszus

Weiße Nächte am Schwarzen Meer

Sechs Wochen lang kommen vor allem junge Menschen nach Kazantip. Auf der Suche nach Freiheit, Musik, Drogen und Sex.

Sechs Wochen lang, von Juli bis August entsteht hier die „Republik-Kazantip“, wo sich Jugendliche auf der Suche nach Freiheit, Musik, Drogen, Sex und der friedlichen Gemeinschaft hingeben. Es ist eine Übergangsstation in die Erwachsenenwelt. Mutproben, Abenteuer und Reifeprüfungen bestimmen hier das Geschehen. Die meisten der Besucher kommen aus Russland und der Ukraine, wenige aus dem Westen. Das Massenspektakel erinnert an den amerikanischen Springbreak und ist eine Mischung aus Beachclub und Ballermann.

Von weit her hört man die elektronische Tanzmusik über die Strandflächen böllern, 21 Stunden am Tag. Bühnen und Bars sind improvisatorisch aufgebaut. Im Wasser, am Strand und in den Dünen. Sogar ein Kamasutra Zelt steht für den Zeitvertreib bereit. Insgesamt sind es 14 Discos unter freiem Himmel. Die Djs spielen hier ohne Gage, denn wer in Kazantip auflegt, wird darauf hin in Russlands Nobeldiskotheken für mehrere 1000 Euro am Abend gebucht.

Das sechswöchige „Woodstock des Ostens“ erinnert an eine Mischung aus Beachclub und Ballermann

Direkt neben an liegt der kleine Ort Popowka. Holzbuden, Häuser ohne Dächer und Türen, zwei Straßen, überall Staub, spärliches Gras. Hier wohnen die Partypilger. Zur Miete bei einer Babuschka oder im Zelt. Eigentlich ist es dort ruhig, 500 Einwohner leben direkt an dem Salzsee, an dem sich auch das neun Fussballfelder große Festival-Areal erstreckt.

Auf der Sechs-Wochen-Party wird viel Geld verdient. Die Eintrittskarten heißen „Vizas“ kosten 50 Euro, die Getränkepreise erinnern an die von Ibiza und hier und da sieht man einen Siebener-BMW mit Dubaier Kennzeichen stehen. Soldaten bewachen das umzäunte Gebiet und passen auf, dass keiner Fremdgetränke und Drogen in die Republik schmuggelt.

Das ist der Woodstock des Ostens, den man vielleicht wirklich einmal miterlebt haben sollte. Jedoch sucht man hier vergeblich nach improvisierten Jahrhundertsongs vor 400.000 Zuschauern oder Menschen mit geschlossenen Augen und Seidenbändern die gegen den Krieg tanzen.

Jan Windszus (* 1976) studierte bis 2004 an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim bei Prof. Hand Pieler Design mit dem Schwerpunkt Fotografie. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen internationalen Magazinen und Büchern publiziert. Für die Zeitschrift mare fuhr er im Jahr 2007 auf die Krim, im darauffolgenden Jahr wurde die Auftragsarbeit „Weiße Nächte am Schwarzen Meer“ veröffentlicht. Jan lebt und arbeitet seit 2005 als freier Fotograf in Berlin.

www.janwindszus.com