Christoph Soeder

Im Hier und Jetzt

Seit 1999 hat das Kinderhospiz Tŷ Hafan über 500 Familien geholfen der unerträglichen Realität ins Auge zu sehen: dem wahrscheinlich baldigen Tod ihrer Kinder.

Zu dem Kinderhospiz Tŷ Hafan führt eine Straße einen Hügel hinauf, hinter welchem sich das Hospiz mit Blick auf den Bristol Kanal, den Meeresarm zwischen Wales und England, befindet. Tŷ Hafan heißt so viel wie Hafenhaus, oder Zufluchtshaus auf walisisch, und ist das einzige Kinderhospiz in Wales.

„Weißt du was? …. Ich liebe dich!“ ist einer der Lieblingssätze von Rhydian, eines der Kinder, die ins Kinderhospiz Tŷ Hafan kommen. Wie Rhydian, der einen Gehirntumor hat, haben die Kinder, die an diesen Ort kommen eine unheilbare Krankheit oder angeborene Fehlbildungen, die es unwahrscheinlich machen, dass sie das Erwachsenenalter erreichen werden. Familien kommen an diesen Ort für einen regulären Aufenthalt und um am Ende des Lebens ihres Kindes Unterstützung zu erfahren. Beim regulären Aufenthalt werden die Kinder im Hospiz betreut, was den Eltern erlaubt, eine Auszeit von der oft sehr anstrengenden Betreuung zu nehmen, die sie nach Wunsch im Hospiz oder außerhalb verbringen können. Wenn es wahrscheinlich erscheint, dass ein Kind nicht mehr lange leben wird, kann die gesamte Familie aufgenommen werden, sodass im Familienkreis Abschied genommen werden kann und gleichzeitig professionelle Hilfe jederzeit verfügbar ist.

Tŷ Hafan wurde im Jahr 1999 eröffnet und hat seitdem über 500 Familien geholfen der unerträglichen Realität ins Auge zu sehen, dass ihr Kind wahrscheinlich in jungem Alter versterben wird.

Es geht weniger um die unheilbare Krankheit oder gar den Tod, sondern vielmehr den Wert des Moments

Die Fotografien wurden im Hospiz aufgenommen sowie bei Ereignissen und an Orten, die im Zusammenhang mit demselben stehen. Es sind verschiedene Kinder zu sehen, auch Geschwisterkinder der erkrankten Kinder, die oft zusammen mit der ganzen Familie ins Hospiz kommen. Der Gesundheitszustand der verschiedenen Kinder kann so unterschiedlich sein, dass man u.U. gar nicht erkennen kann, ob ein Kind an einer unheilbaren Krankheit leidet oder nicht. Bei anderen hingegen ist die Krankheit schon so fortgeschritten, dass sie intensiv medizinisch betreut werden müssen.

„Weißt du was? …. Ich liebe dich!“, der Satz, den Rhydian beispielsweise beim Essen verschmitzt an eine der Mitarbeiterinnen richtet, ist bezeichnend für Tŷ Hafan. Hierbei geht es weniger um die unheilbare Krankheit oder gar den Tod, sondern vielmehr den Wert des Moments, des Hier und Jetzt. Diese Momente beinhalten oft ein breites Spektrum an Emotionen, von denen viele auch heiter sind. Für viele Kinder ist die Zukunft absolut unvorhersehbar, da es nicht bekannt ist, wie schnell und wann sich ihr Zustand verschlechtern wird und schlussendlich, wie viel Zeit sie noch haben. Mit dieser Perspektive bleibt ihnen oft nur die flüchtige Gegenwart als Anhaltspunkt, deren Bedeutung dadurch enorm gewinnt. Der Mut, mit dem Kinder, Familienmitglieder und Betreuer, die oft eine enge Beziehung zu den Kindern aufbauen, sich ihrer Situation stellen, ist oft überwältigend und macht sie zu Helden. Mein herzlicher Dank gilt all jenen, die einen Teil ihres Hier und Jetzt mit mir geteilt haben und dieses Projekt möglich gemacht haben.

Christoph Soeder wurde 1989 als Sohn deutsch-französischer Eltern in Avranches/Frankreich geboren und wuchs in Deutschland auf. Während seiner Schulzeit war Christoph als Fotograf und Grafikdesigner für die Schülerzeitung tätig und erhielt verschiedene Preise für seine Arbeit. Nach dem Abitur machte er ein mehrmonatiges Praktikum als Fotojournalist auf den Philippinen und arbeitete für verschiedene Kunden in Deutschland und auch auf den Philippinen; u.a. dpa Deutsche Presse-Agentur, C/O Berlin, Stiftung Preussischer Kulturbesitz und die dpa. 2012 wurde Christoph mit dem zweiten Preis „Close Up! – Junge Fotojournalisten auf der 62. Berlinale“ ausgezeichnet und stellte seine Arbeit im Rahmen einer Gruppenausstellung bei C/O Berlin aus. 2013 wurde Christophs Buch „Clear-Cut“ für den „Unseen Dummy Award“ nominiert und in Amsterdam beim Unseen Fotofestival ausgestellt. Christoph hat ein Jahr an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin studiert und setzt im Moment sein Studium der Dokumentarfotografie in Großbritannien an der University of South Wales, Newport, fort.

www.christophsoeder.com