Simon Tanner

Guang Gun

Ein-Kind-Politik, Bevorzugung des männlichen Nachwuchses: Es gibt einen Engpass auf dem chinesischen Heiratsmarkt. Die Ehe ist in China aber traditionell von hoher Bedeutung.

Die Volksrepublik China ist mit einem demografischen Problem konfrontiert. Die Bevorzugung von männlichem Nachwuchs – aus gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen – und die offizielle Ein-Kind-Politik führten zu einem geschlechterspezifischen Ungleichgewicht. Zwischen 2015 und 2045 wird China ein jährlicher Überschuss von einer Million Männern aufweisen. bei der Bevölkerung zwischen 20 und 49 Jahren beträgt der männliche Überschuss 2015 gemäss offiziellen Berechnungen bereits 20 Millionen. Diese Entwicklung führt zu einem Engpass auf dem chinesischen Heiratsmarkt. Die Ehe ist in China traditionell von hoher Bedeutung – nicht nur für den sozialen Status, sondern auch für die wirtschaftliche Absicherung. So sind Männer aus tieferen sozio-ökonomischen Schichten die am stärksten Benachteiligten, da für Frauen der materielle Status bei der Partnerwahl mitentscheidend ist.

Dieses Missverhältnis auf dem Heiratsmarkt hat nicht nur auf der individuellen Ebene negative Auswirkungen, sondern birgt auch gesellschaftliche Sprengkraft. Während in den Städten die Partnersuche zu einem Existenzkampf wird, wächst die Gruppe der unfreiwillig unverheirateten Männer vorallem in den ländlichen Provinzen stark und es entstehen sogenannte „bachelor villages“. Gleichzeitig wird landesweit die urbane Jugend mit Dating-Shows überhäuft und so das gesellschaftliche Ideal und der individuelle Wunsch nach dem Partnerglück verfestigt.

Diese Fotoreportage beleuchtet die verschiedenen Aspekte dieses demografischen Konfliktes in einer sich wandelnden Gesellschaft. Dabei stellen sich folgende Fragen: Warum treffen sich jedes Wochenende hunderte Eltern im Volkspark in Shanghai? Weshalb bleiben beruflich erfolgreiche Chinesinnen trotzdem alleine? Was erhofft sich ein Fabrikarbeiter von einem Speed-Dating-Abend? Warum kann der Bauer seine zukünftige Frau nicht in seinem Dorf finden? Was sind die Kundenträume an der grössten Hochzeitsmesse in Guangzhou? „Guang Gun“ ist die chinesische Bezeichnung für nicht-verheiratete Männer und bedeutet wörtlich übersetzt „nackte Stange“.

Simon Tanner (*1983) lebt und arbeitet in Zürich, Schweiz. Nach einem Masterstudium der Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Bern absolvierte er den Studiengang Redaktionelle Fotografie am Medienausbildungszentrum MAZ in Luzern. Neben einer Anstellung im Fotografen-Team der Neuen Zürcher Zeitung NZZ arbeitet er an eigenen Reportagen, welche sich mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzen.

www.simontanner.ch