Stephanie Steinkopf

Manhattan

Nur eine Autostunde von Berlin entfernt findet man einen Ort des Scheiterns. Seit der Wende ist hier strukturell nahezu alles zusammengebrochen. Wer kann, zieht weg.

Manhattan liegt in Brandenburg. Mitten im Grünen, mitten in der Idylle und nur eine Autostunde von Berlin entfernt. Manhattan, so nennen die Dorfbewohner im Oderbruch die zwei Plattenbauten seit Jahren. Manhattan ist ein Hügel, ein Ort der Hoffnung. Manhattan ist die Skyline des Dorfes – Abbild wirtschaftlicher Verwirklichung und zugleich ein Ort des Scheiterns. Seit der Wende 1989 ist hier strukturell nahezu alles zusammengebrochen. Keiner zieht mehr hierhin; wer kann, zieht weg. „Straße der Jugend“ steht auf dem Schild an der Hauptstraße, die direkt an Manhattan vorbeiführt.

Stephanie Steinkopf besucht die Bewohner Manhattans immer wieder, über mehrere Jahre. Ihre Arbeit zeigt keine ostdeutsche Besonderheit, sondern eine allgemeine Entwicklung gesellschaftlicher Spaltung auf, die in vielen dörflichen Regionen Ostdeutschlands heute aber besonders sichtbar wird. Es entstehen Fotografien durch eine langjährige Beziehung zu den Bewohnern, begleitet von Trauer, Desillusion, Freude und Hoffnung. In einer Region im Wandel von der DDR-Agrarkultur mit Vollbeschäftigung hin zur Arbeitsgesellschaft mit beschränkter Hoffnung. Die Wohnungen in Manhattan wurden früher, weil sie so begehrt waren, verlost – heute steht ein Block leer. In dem anderen Plattenbau sind von 40 Wohnungen nur noch einige bewohnt. Stephanie Steinkopf: „Ich möchte Einblicke in Welten ermöglichen, die nicht für alle gleich existieren. Der Fokus meiner fotografischen Arbeit liegt auf sozialkritischer Fotografie und der Entwicklung eines kritischen Bewusstseins für eine gesellschaftliche Situation.“

Text Jens Thomas

Stephanie Steinkopf, geboren 1978 in Frankfurt/Oder, studiert zunächst Musikethnologie, Neuere Geschichte und Lateinamerikanistik bevor sie an der Ostkreuzschule für Fotografie, Berlin, zu studieren beginnt. Mit ihrem Langzeitprojekt „Manhattan – Straße der Jugend“ gewinnt sie mehrere Preise wie den „Vattenfall Fotopreis 2012“, „Gute Aussichten – junge deutsche Fotografie 2013/14“ und den „European Photo Exhibition Award“ (EPEA02). Ihre Arbeit wird u. a. in den Deichtorhallen, Haus der Photographie, Hamburg, C/O Berlin und Museum Villa Stuck in München ausgestellt. Seit 2014 ist sie Junior-Mitglied bei OSTKREUZ – Agentur der Fotografen. Stephanie Steinkopf lebt als freie Fotografin in Berlin.

www.stephaniesteinkopf.de

1 Kommentar.

  • Unglaublich bewegend! Bilder die ohne Wertung Liebe und Elend gleichermassen zeigen. Grossartig