Andy Happel

Auf engstem Raum

Trotz der unzähligen Wolkenkratzer gilt Hong Kong als eine der grünsten Metropolen des asiatischen Kontinents. Aber die wachsende Stadt hat ihre Maximalkapazität längst überschritten.
Das Leben auf den Dächern Hong Kongs ist eine Grauzone. Die illegal errichteten Wohnräume werden häufig geduldet, da viele der Bewohner sonst obdachlos wären.
Hong Kong "duftender Hafen", ist eine lebendige und extrem dicht besiedelte Metropole an der südlichen Küste Chinas.

Sie ist eine der Städte mit den höchsten Lebenshaltungskosten weltweit. Sieben Millionen Menschen leben hier – und die Bevölkerung wächst stetig weiter. Die Rede ist von Hong Kong, der Sonderverwaltungszone Chinas.

Dass Wohnraum insgesamt immer knapper und gleichzeitig teurer wird, kann man in vielen Städten der Welt beobachten. Doch wie sieht ein extremes Beispiel dieser Entwicklung aus?

In Hong Kong wohnen auch im zunehmenden Alter viele noch zu Hause bei ihren Eltern, da eine eigene Wohnung zu teuer wäre. So auch der 30-jährige Eric.
Künstlerin Cathy wohnt in einer Subdivided Flat im Stadtteil Sham Shui Po. Ihre Wohnung beinhaltet ein winziges Badezimmer und eine kleine Küchenzeile. Gesamtgröße: ungefähr zehn Quadratmeter.
Cathy hat Glück, denn ihre Wohnung gehört zu den größeren ihrer Art. Die Kaltmiete beträgt jedoch über 500 Euro monatlich, was sie mit ihrem Einkommen als Künstlerin nur schwer finanzieren kann.
Der Sohn der Familie Chau muss sich auf engstem Raum vergnügen. Häufig werden Wohnungen von den Vermittlungsagenturen größer angegeben als sie tatsächlich sind.
Wohngemeinschaften sind in Hong Kong eher selten. Es ist schwierig eine geeignete Wohnung zu finden. Martina und ihr Mitbewohner hatten Glück. In ihrem ca. fünf Quadratmeter großen Zimmer hält sie sich jedoch nur Abends auf. Internetanschluss gibt es in dem alten Gebäude ohnehin nicht.

Auf den ersten Blick wirkt die Wohnsituation in Hong Kong weniger dramatisch. Die Bevölkerungsdichte liegt bei knapp 6.500 Einwohnern pro Quadratkilometer, was verglichen mit Berlin (4.000 Einwohner pro Quadratkilometer) noch moderat erscheint.

Aufgrund ihrer Topographie sind rund drei Viertel der Fläche Hong Kongs nicht bewohnbar. Den Rest teilen sich mehr als 7 Millionen Einwohner.

Die Sonderverwaltungszone Hong Kong ist allerdings keine zusammenhängende Stadt. Der urbane Raum ist vielmehr fragmentiert und nimmt nur einen geringen Anteil des städtischen Gebiets ein: etwa ein Viertel der Fläche ist bebaut. Der Rest der Landfläche ist nicht bebaubar, er besteht aus teils bergiger Natur, große Teile stehen unter Naturschutz. Diese Besonderheit macht Hong Kong zu einer der grünsten Metropolregionen Asiens.

Gleichzeitig bedeutet dies eine extreme Verdichtung des besiedelten Territoriums von Hong Kong: Etwa 16.000 Einwohner teilen sich einen Quadratkilometer – im Stadtteil Mongkok liegt die Zahl sogar bei 130.000 Einwohnern.

Der von Neonlichtern dominierte Stadtteil Mongkok gilt als einer der dichtbesiedelsten Orte der Welt: Über 130.000 Einwohner teilen sich einen Quatdratkilometer.
Immer mehr Wohnungen werden illegal zu "Subdivided Flats" umgebaut. Dabei wird eine Wohnung in mehrere winzige Wohneinheiten aufgeteilt und separat vermietet.

Was bedeutet es, in einer solchen Stadt zu leben? Die Mietpreise steigen schneller als die Einkommen, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Von dem akuten Platzmangel sind alle gleichermaßen betroffen. Familien wohnen in viel zu kleinen Wohnungen und zahlen dafür Höchstpreise, Hochhausfassaden dominieren das städtische Bild. Und es wird weitergebaut, immer höher, immer dichter. Die neuen Wohnungen werden dabei kleiner und haben gleichzeitig steigende Preise.

Um sich das Leben in Hong Kong leisten zu können, gibt es verschiedene Strategien. Manche gründen Wohngemeinschaften, andere ziehen in die sogenannten Micro- oder Subdivided Flats. In provisorisch umgebauten Wohnungen wird darin jedes Zimmer als eigenständige Wohneinheit vermietet. Dabei sind diese Mikrowohnungen selten größer als zehn Quadratmeter.

Das Leben auf Hong Kongs Dächern ist für viele nicht leicht. Doch es bilden sich oftmals Gemeinschaften, in denen sich die Bewohner gegenseitig helfen.
Herr Fen lebt in einem Verschlag auf einem Dach. Sein privater Raum ist gerade mal so groß wie ein Bett.
Herr Chan ist Bewohner eines sogannenten „Rooftop Slums“. Seit zwei Jahren wohnt der 80-Jährige auf etwa sieben Quadratmetern.
Immer mehr der illegalen Rooftop Slums werden geräumt, um die alten Gebäude zu ersetzen. Viele ihrer Bewohner haben Probleme eine neue Wohnung zu finden, die sie sich leisten können.
Herr Yip lebt mit seiner Frau in einer Siedlung auf einem Wohnhausdach. Er hat das Glück eine eigene Küche zu besitzen. Sonst werden die Küchen und Sanitäranlagen meist gemeinsam genutzt.

Für einige Menschen stellt die irreguläre Besiedlung von Wohnhausdächern einen letzten Ausweg aus der Spirale steigender Mietpreise in Hong Kong dar. Diese „Rooftop Slums“ sind illegal, werden aber größtenteils geduldet. Welche Alternativen bleiben einer Stadt, die ihre Maximalkapazität schon längst überschritten hat?

Andy Happel (*1991) ist in Gießen geboren. Nach einem Jahrespraktikum bei einer Filmproduktionsfirma als Mediengestalter Bild und Ton studiert er seit 2015 Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover.

www.ahappel.com